Mit dem Virus geht es um eine Sensation im Körper, die als Lesefehler
und "blödsinnig" beschrieben wird. "Die Tochterzelle, der diese inkorrekte
Kopie mitgegeben wird, übernimmt ein spezielles Herstellungsrezept
mit vollkommen verändertem Sinn oder eines, das überhaupt sinnlos
geworden ist. Das Originalrezept (...) ist dahin, und das neue Rezept verführt
sie zwangsläufig dazu, entweder ein völlig anderes, höchstwahrscheinlich
unnützes zu machen - oder überhaupt keins..." Man rätselt,
"warum in aller Welt eine Zelle so töricht ist", ihre äußere
Hülle mit Rezeptorfunktionen auszustatten, die das Virus anziehen,
obwohl die Tochterzelle, die wie von Sinnen oder verliebt sein muß,
es "keineswegs nötig" hat. Indem sie die Körperaffäre als
mutierte, hysterische Sensation erotisiert, führt die Virologie vor,
daß sich Wissen sexuell infiziert. - Aber die zwangsläufige
Verführung wird in dem Programm, das Leben heißt, noch anders
brisant. Der Lesefehler wird in der Vernetzung von Biomedizin und Informationstechnologien
"selbst" inszeniert. Der Term der Codierung bringt den Körper in einer
Weise hervor, die das Spielen auf der Tastatur des Lebens geradezu herausfordert.
(Zitate: Wolfhard Weidel, Virus, Die Geschichte vom geborgten Leben,
Berlin 1957)