Claudia Reiche
Videovortrag im Kino 46

Abgetrennte und angelegte Hände in neuer filmhistorischer Sichtung


Das Motiv der vom Körper abgetrennten und autonom agierenden Hand hat Filmgeschichte gemacht: genrespezifisch als 'Unheimliches' im Horror-Film. Noch anhand literarischer Beispiele und psychoanalytischer Erfahrung äußerte sich allerdings Sigmnund Freud 1919 im Aufsatz zum 'Unheimlichen': "Abgetrennte Glieder, ein abgehauener Kopf, eine vom Arm gelöste Hand (...) Füße, die für sich alleine tanzen (...) haben etwas ungemein Unheimliches an sich, besonders wenn ihnen ... noch eine selbständige Tätigkeit zugestanden wird. (...) Es kommt oft vor, dass neurotische Männer erklären, das weibliche Genitale sei ihnen etwas Unheimliches." In welcher Weise dieser einflußreiche von Freud isolierte Motivkomplex im Film historisch aufgenommen und bearbeitet wurde, zeigt sich in signifikanten Unterschieden. Exemplarisch nebeneinandergestellt werden drei US-Spielfilme: der subtile "The Beast with Five Fingers" (US 1946, Regie Robert Florey), der pathetisch flache "Die Hand" (US 1981, Regie Oliver Stone, http://us.imdb.com/Title?0082497) und der unfreiwillig komische, : "The Bite/ Das Gift der Hölle", US 1989, Regie Fred Goodwin, http://us.imdb.com/Title?0094929). Es lassen sich spezifische Konstellationen des 'Freudschen' Kastrationskomplexes ablesen, korrelierbar zu der jeweiligen Konstitution der Subjekte und Geschlechterverhältnisse in der filmischen Darstellung. Als weitere Bezugsgröße soll die in den Filmen referierte und präsentierte Technologie herangezogen werden: die Technik des Tonfilms ("The Beast with 5 Fingers"), Steuerungs- und Meßtechnik in elektronischer und elektromagnetischer Koppelung ("Die Hand"), schließlich atomare Waffen und Gentechnologie ("Das Gift der Hölle"). Fast könnte es im Durchgang durch diese Beispiele scheinen, dass am Ende des 20. Jahrhunderts mit dem Motiv der unheimlichen Hand im Film ein sonderbar altertümelnder 'Kastrationskomplex' als das letzte Refugium eines Menschenbildes verdinglich und beschworen wird, um ästhetischen und technologischen 'Auflösungstendenzen' durch das digitale Medium heimlich entgegenzuwirken.