Aus dem Reader
zu dem Vortrag
Digital Eingetragenes Warenzeichen
von Renate Lorenz

GAME GRRRL
Man muß sich vorstellen, sie mag Musik, subjektiviert manchmal ihren Computer, sie lehnt Zuschreibungen auf Frauen ab, liest feministische Theorie, läßt ihre sexuelle Identität unklar + arbeitet in einer Gruppe gegen Gen- und Biotechnologie.

GAME GRRRL Hier sollen keine Metaphern geprägt werden wie GAME GIRL als Nintendo Game Boy, der von Hackerinnen geknackt wurde. GAME GIRL besitzt ein technologisches Verhältnis zu sich selbst. Sie sieht sich selbst nicht als "Natur" oder "Substanz" sondern als künstlichen Effekt einer kulturellen - patriarchalen wie auch technowissenschaftlichen Geschichte. Da diese prizipiell nicht abgeschlossen ist, kann die Figur eine positive Selbstbestimmung nicht leisten. Sie kann aber Position beziehen, denn der Ablauf der Geschichte ist nicht determiniert.
Die US-amerikanische Theoretikerin Avital Ronell fordert, der Geschichte weiblicher Darstellungspraxis vor dem Hintergrund der Geschlechterverhältnisse nachzugehen: Denn Frauen sah man, so sagt sie, immer als Geschöpfe, die gefälscht oder unecht sind und deswegen "nicht-lesbar" oder unzuverlässig. Künstlichkeit (per Mimik, Darstellung, Make Up und Kleidung) ist für sie daher Gegenbild zum männlichen Mythos einer absoluten Selbstpräsentation ohne Lügen und Täuschung. "Künstlich" ist hier der Name für einen Widerstand gegen die Vorstellung natürlicher Authenzität und synthetischer Planbarkeit: Künstliche Unübersichtlichkeit versus angebliche Transparenz. In Medizin und Medientheorie setzt letztere sich in der Behauptung fort, Personen seien als Daten abbildbar.

Sich so (künstlich) zusammengesetzt - als "Konstrukt" - zu betrachten, heißt dann eben nicht, daß eine Person transparent = herstellbar (synthetisch) ist. Diese Art der Selbstbetrachtung erzeugt ein "Selbst" ohne Prä,senz: "The self-knowledge of a self who is not".
Das ist die Ebene, auf der wir unsere Kritik an Biotechnologien ansetzen. Sie grenzt sich gegen eine moralische Argumentation ab. Denn diese unterstellt für ihr Urteil allgemeine Kriterien ohne klassen- oder geschlechtsspezifische Unterschiede, wie es sie unter kapitalistischen Verhältnissen nicht gibt. Für die Figur des GAME GIRL stellt sich unter diesen Verhältnissen ein Problem: Ob die Leerstellle, die fehlende "Substanz", ein politisches Verhältnis zu Technologie ermöglicht, indem sie die Perspektive der Veränderung einschließt, oder - im Gegenteil - ob dieser Wunsch, etwas zu werden, was sie nicht ist, eine Person gerade für die Attraktion technologischer Anwendungen zugänglich macht.

Flyer GAME GIRL, Zürich + München 1994



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