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Anwendbarkeit | Darstellung | Gegendarstellung | BRAIN STORM
AUSSTELLUNG.VERANSTALTUNG.KOOPERATION
Daß unsere Probleme technologisch gelöst werden, ist ein Mythos, dem wir uns nicht anschließen wollen. Daher sammelt GAME GIRL Argumente gegen die Wünsche und Hoffnungen, die zur Zeit auf Bio- und Gentechnologien projiziert werden: Abwerten der öffentlichen Bilder von Technologie, wie sie industrielle Werbung1, Dokumentationen in TV und Zeitschriften und inzwischen auch künstlerische Projekte2 formulieren.
Immer häufiger machen Kunstausstellungen Bio- und Gentechnologie zu ihrem Thema. Dabei wird üblicherweise die Machbarkeit von Gentherapie oder plastischer Chirugie vorausgesetzt. Gemeinsamer Nenner von "Kunst und Wissenschaft" ist die Gestaltung. Projekte wie die Hamburger Ausstellung "Posthuman" (1994 Deichtorhallen) oder "Ars Electronica" (1993) unterstellen den Körper einem technisch- künstlerischen Zugriff. Danache erhalten Gen- und Biotechnologen die Rolle des klassischen Künstlers, während der Kunst eine nachträgliche Rolle gegenüber Technologie eingerämt wird; Künstlerische Arbeiten sollen Fragen der Ästhetik oder der Vermittlung bereits realisierter technologischer Produkte und Anwendungen übernehmen. Einem solchen Verständnis will das Projekt GAME GIRL entgegnen: es geht um die Politisierung eines Erkenntnisbereiches (der biologischen Wissenschaften), wie er auch angesichts zunehmender Kapitalisierung - etwa durch Patentanträge auf menschliche Genabschnitte - dringend ist.
An konstruktivistische Versatzstücke schließt sich etwa im Katalogtext zu "Posthuman" die Argumentation an, Bio- und Gentechnologien gäben und Instrumente zur Selbstgestaltung an die Hand ("Es wird normal sein, sich selbst neu zu erfinden", vermutet Kurator Jeffery Deitch im Katalog der Ausstellung "Posthuman"). Unter Berufung auf die angesprochenen antirassistischen und feministischen Theorien verdreht sie deren Konzept von Identität als kulturelle Konstruktion : Technologie wird als Werkzeug genommen, dieses Konstrukt zu zerlegen (Analyse) und anschließend in neuer Weise zusammenzusetzen (Synhese). Je "fortschrittlicher" die technologischen Möglichkeiten, desto größer die Freiheit der Selbstgestaltung. Diese Behauptung daß Chirurgie und Gentechnologie &aum l;nlich zu benutzen seien wie Kleidung oder Formen der Selbstinszenierung geht das Projekt GAME GIRL nach: Welches (naturwissenschaftliche) Bild des menschlichen Körpers macht solche Annahmen möglich?
Arbeitsgruppe Reformstudiengang Medizin
begründete die Forderung nach einer veränderten Ausbildung mit der Erkenntnis, daß das naturwissenschaftlich ausgerichtete Modell des Menschen nicht ausreichend komplex ist. Sie erwarten einen Paradigmenwechsel in den Naturwissenschaften, da die "Auswahl und Art des wissenschaftlichen Untersuchungsansatzes das Ergebnis wesentlich mitbestimmt, das Dogma einer objektivierbaren Wirklichkeit also nicht haltbar ist". Entsprechend erarbeitete die Klasse für Wissenschaftliches Zeichnen
(Schule für Gestaltung Zürich), die sich unter anderem mit der Darstellung menschlicher Anatomie befaßt, inwieweit Abstraktionen, Verfremdungen oder De- und Rekontextualisierungen notwendig Teil ihrer "Naturbilder" sind und damit die Annahmen über abgebildete Gegenstände mitgestalten. Allein naturwissenschaftlich begründete Vorstellungen vom Menschen sind zudem ohne Zusammenhang zu psychischen Bezügen und sozialen Bedeutungen zur Beschreibung einer Person nicht adäquat. Medizin umfasse - so die Arbeitsgruppe zum Reformstudiengang - neben Biologie und Chemie auch Psychologie, Sozialwissenschaften und Philosophie.Was im Bereich von Kunst und Geistewissenschaften selbstverständlich scheint, wird aus dem Verständnis von Technologie und Medizin weitgehend ausgeschlossen: auch das dort entstehende Wissen ist kulturell vermittelt. Soziale Wirkungen, wie sie öffentliche Bilder - in TV, Schulbüchern, medizinischer Fachliteratur,Werbung - festigen, produzieren die Körpermodelle der Forscher/innen. Der Gebrauch von Metaphern - auch in der Fachliteratur - gibt ein Beispiel wie das funktioniert: wenn das Gehirn als Festspeicher angesprochen wird und das Gen als Bit, liegt das Schluß nahe, die Körperfunktionen seien im Genom programmiert (und folglich umzuprogrammieren). Aus diesem Sprachgebrauch leiten sich enorme wisenschaftliche und finanzielle Erwartungen ab, die mit dem sog. Genomprojekt - als "Entschlüsselung" des menschlichen Erbmaterials - verbunden sind. Das "Lesen" der "Erbinformation" ist zunächst nichts als ein Versuch, die Basenabfolge zu notieren, aus der sich das Genom zusammensetzt. Ob und wie Anatomie und Körperfunktionen mit dieser Abfolge zusammenhängen, ist daraus nicht zu erkennen. Hier lassen sich textkritische Methoden auf naturwissenschaftliche Modelle anwenden.
Sozialen
trennt. So bereitet die vorgebliche Entdeckung eines Gens für Homosexualität seine gentechnologische "Reparatur" vor, nicht einen politischen Angriff gegen das "heterosexuelle Zwangsregieme".Abwerten und Umdeuten
.
ad 1) Daß in dieser Weise geforscht wird und werden muß, vermittelt sich über die Attraktivität der Versprechung (z.B. Impfstoff gegen AIDS, Heilung von Querschnittlähmung etc.). Es werden nicht die Umstände der Forschung, mögliche Mißerfolge, negative Begleiterscheinungen thematisiert, sondern Wünsche erzeugt.<
ad 2) In einem Katalogbeitrag zur Ausstellung "Genetische Kunst - Künstliches Leben" der vorletzten Ars Electronica in Linz schreibt Peter Weibel: "Die Gentechnik weckt dabei hohe Erwartungen. Sie arbeitet an der Herstellung einer wirksamen Waffe im Kampf gegen Krebs, die Immunschwäche AIDS und gegen andere unheilbare Krankheiten ebenso, wie an Beiträgen zur Lösung des Welternährungsproblems, an neuen umweltschonenden Techniken, bis hin zum idealen Menschen, dem Gentechnik-Menschen." Nach diesen Vorstellungen werden die Sozialwissenschaften arbeitslos.<
ad 3) Carol Burnett: "Weißt du, wenn du über 40 bist, scheint sich der ganze Apparat neu zu strukturieren. Nach all den Jahren stimmt alles in meinem Kopf und schon fällt mir der Hintern auseinander." <
ad 4) Yvonne:"Ich habe immer eine Schwäche für die Erleuchtung großer Männer gehabt. <
ad 5) Jenny:"Ach, Vitamin E hat mir kein bißchen geholfen. Ich bin zum Arzt gegangen, und er wollte mir eine Totaloperation verpassen. Er sagt, er würde alles rausnehmen, bloß nicht den Spielplatz."
Yvonne:"Spielplatz. Was für ein cooler Gynäkologe!"
Jenny:"Klar doch. Nur, ich war entsetzt. Jedenfalls das war ein Angebot, das ich ausschlagen konnte, und das tat ich auch."<
BRAIN STORM
Diskussion zu GAME GIRL und zu Metaphern in den Naturwissenschaften.
Freitag 3.6. / 19Uhr: Diskussion mit Personen und Initiative gegen Gen- und Reprotechnik
An der inzwischen zu Ende gegangeanen Ausstellung "20 Jahre Gentechnik pro und kontra" im Baseler Naturhistorischen Museum Beteiligten sich Gentechnologie-Gegnerinnen mit Argumente gengen bestimmte gentechnische Anwendungen nicht aber gegen deren Darstellung. Inwieweit läßt aber diese Darstellungsebene die Nutzung von Gen-und Biotechnologie möglich und attraktiv erscheinen: Wie ist der Einfluß Von Metaphern/Bildern in den Naturwissenschaften? / Gibt es Möglichkeiten, diese Bilder zu verändern? /Z.B. feministische Metaphern für feministische Wissenschaft?) / Was bedeutet das für kongrete Aktionen gegen Gen- und Reprotechnik?
Samstag, 4.6. / 19Uhr: Gespräch über Thesen Donna Haraway mit der Übersetzungsgruppe der Donna Haraway-Texte aus Frankfurt.
Di US-amerikanische Wissenschaftstheoretikerin + Biologin Donna Haraway stellt der rigiden Technologiekritik ein kompliziertes Bild gegenüber. Dem rigorosen Nein gegenüber genetisch manipulierten Lebensmitteln hält sie entgegen, daß sich im Wunsch nach Reinheit auch politische Konservatismus äußere. So sei die Forderung des US-amerikanischen Genkritikers Jeremy Rifkin, die natürlichen Arten sollten nicht übersprungen werden, mit einer Biologisierung des Sozialen verbunden. Laut ihrer meist- diskutierten These im " Manifesto for Cyborgs" entstammen die Unterschiede zwischen Geist und Körper, zwischen Mensch und Maschine dem Patriarchat und müssen weg: Cyborg steht für ein unhierachisches Wesen.
»» Flyer GAME GIRL, Zürich + München 1994
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