Andrea Sick

   

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Muster Forschen.

Konzepte von Muster und Serie in der Kartografie


Anliegen von mir ist es, das Muster hier sowohl als theoretische Figur wie auch als Bildlichkeit zu konstruieren. Insofern kann es als Exempel für Überschneidungen von Theorie und Bildlichkeit funktionieren. Dabei lassen sich Konzepte des Musters mit Konzepten der Serialität verknüpfen, vorausgesetzt es gilt für beide die "Vergleichung" im topologischen Raum als konstituierend für den Entwurf von Reihen und Netzen. Der kantsche Begriff "Vergleichung" zielt dabei auf die Annahme, daß Wechselwirkungen von Sehen und Wissen die Serien und Muster oder auch die Serien von Mustern immer neu herstellen. 

 

 

Zunächst möchte ich einen Zusammenhang zwischen Muster und Kartografie eröffnen: Welche Rolle spielt das Muster für die moderne Kartografie zu der heute sowohl die Verarbeitung von fotografischen Luftbildern als auch die von Satellitenbildern und -daten zählt?

 

Die Kartografie als Verfahrenstechnik beinhaltet immer Übersetzungsverfahren: digitale Aufzeichnungen, fotografische Bilder, Vermessungsdaten und auch Statistiken thematischer Aspekte wie Rohstoffverteilung, Umweltverschmutzung u.a. werden in topologische, grafische Darstellungen, die auch virtuell im Computer vorliegen können, übertragen. Dafür ist entscheidend, daß Luftbilder, Satellitenbilder und Karten großflächige Musterungen zu sehen geben:  Regionen lassen sich leicht auf Grund von unterschiedlichen Musterungen voneinander abgrenzen. Je nach Such-Kriterium und Verfahren werden verschiedene Musterungen "sichtbar".[1]

Luftbilder, Satellitenbilder und Karten zeigen großflächige Musterungen. Regionen lassen sich leicht auf Grund von unterschiedlichen, erkennbar gemachten geographischen Musterungen voneinander abgrenzen. Je nach Such-Kriterium und Verfahren werden verschiedene Musterungen auf den Satellitenbildern oder auch Luftbildern, mit ihrer mosaik- und tapetenartigen Gestalt "sichtbar".

Insbesondere, so wird von der Fernerkundung und Geografie gesagt, sind es geomorphologische und geologische Zusammenhänge, die sich als großräumliches Muster abzeichnen. Diese sind oftmals weder im Gelände noch auf konventionellen Luftbildern zu erkennen. Deshalb werden zunehmend fotografische Aufnahmen mit unterschiedlichen Filtern und Abständen oder auch direkt digitale Aufnahmen, die schon gleich als verechenbares Datenmaterial vorliegen, verwendet.

 

Viele Veröffentlichungen zu dem Themenkomplex "Bilder aus dem All", hier speziell Bilder einer umgekehrten Astronomie, sprechen davon, daß diese Bilder dazu beitragen, etwas sichtbar zu machen. Wie kann man das verstehen? Muß nicht, um etwas sichtbar machen zu können, etwas als "unsichtbar" oder "nichtsichtbar" angenommen werden?

Wie wäre ein solch notwendiger Zusammenhang von "sichtbar" und "nichtsichtbar" bzw. "unsichtbar" zu denken?

 

Wie konstituiert sich ein "Sichtbares"?

Was wird in diesem Kontext als "Unsichtbares" bezeichnet? In Fernerkundung und Kartografie kann man davon ausgehen, daß damit Gegenstände und Beschaffenheiten gemeint sind, die mit bloßem Auge nicht zu sehen wären und erst mit Hilfe optischer Apparate, Datenabtaster und Auswertmaschinen sichtbar bzw. hergestellt werden.

Durch Vergleich von Satellitenbildern bzw. –daten können dann – so wird es in der Kartografie gelehrt - z.B. von Ungeziefer befallene Regionen im Rahmen der Auswertung erkennbar werden, was hier mit sichtbar übersetzt wird. Das heißt auch, so schreibt Dagmar Schmauks, "erst wenn man Daten ganz verschiedener Sachgebiete in einer Karte einträgt, werden Zusammenhänge wie die zwischen Krebshäufigkeit, Luftschadstoffen und Waldschäden wirklich ‚sichtbar‘"[2].

Die Möglichkeit der Sichtbarmachung beinhaltet auch die Grundlage für Prognosen. Während sich zum Beispiel die Verfrachtung von Schadstoffen durch den Wind mit vergleichsweise hoher Sicherheit voraussagen läßt, prüft die Kriminologie mit weit größerer Unsicherheit bei Serientätern, ob die Tatorte ein erkennbares Muster bilden.

 

Auf Satellitenbildern werden Muster erkannt, die Informationen über Katastrophengebiete, Wetter, Waffensysteme, Tatorte etc. geben können. Dies ist wiederum nur möglich, sofern sie aufgrund von schon vorher hergestellten und definierten Mustern bzw. Karten mit solchen identifiziert werden können. Voraussetzung für die Arbeit mit den Satellitenbildern bzw. ihre Auswertung ist ihre Darstellung in Mustern, die eben als Bilder, Zeichen und Worte fungieren. Darstellung meint hier Sichtbarmachung.

 

Voraussetzung dafür, etwas sichtbar zu machen und darzustellen ist also, daß es da etwas "Unsichtbares" bzw. "Nichtsichtbares" gibt, was hervortreten kann (z.B. Wetter), was es eben insofern erst möglich macht, daß da etwas sichtbar werden kann. Es ist die Rede von einer "konstitutiven Unsichtbarkeit", wie sie der Medientheoretiker Christoph Tholen bezeichnet, "die das Sichtbare oder Zeigbare – rahmensetzend – allererst eröffnet, indem es sich diesem Rahmen entzieht"[3]. Konsequenz davon ist, so Tholen, daß die Dinge nie vollständig in unserem Gesichtfeld auftauchen: "keine Erscheinung ist ohne das ihr vorgängige Zu-Erscheinen-Geben denkbar. Diese Einsicht ist eine implizit medientheoretische: Das Sichtbare als Sichtbares entspringt einem Horizont nur, indem das diesen Horizont markierende Nicht-Sichtbare, Horizontlose sich zurückgezogen hat. Wo immer sich etwas als etwas ex-poniert, hat eine abwesende Lücke oder Differenz der Wahrnehmung eine momentane, imaginäre Gestalt und Identität gegeben. Keine Präsenz wäre ohne die sie einräumende Absenz aussagbar. Die Anwesenheit unseres Sehens verdankt sich der Abwesenheit des Blicks, der entzogen bleibt, damit es überhaupt etwas- als Ausschnitt zu sehen gibt. Dieser Rand des Gesehenen, der Rahmen, kommt im Gesichtsfeld nicht vor, existiert als Zäsur nur, indem diese ihrer eigenen Selbstgegenwart vorgängig bleibt."[4]

Im Anschluß an Tholens Überlegungen kann man sagen, etwas als etwas zu exponieren, was heißt sichtbar zu machen, wäre ohne das Nichtsichtbare, die Lücke, die Differenz der Wahrnehmung nicht möglich.

 

 
 
 
     

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