Aus dem Reader
zu dem Vortrag
Visible Human ProjectTM
von Claudia Reiche

 
[1] Matter Transform Sequence
- Die Formulierung stammt aus Tron, 1982, Regie: Steven Lisberger, Walt Disney Productions. Der Science Fiction Film handelt von der Möglichkeit des Weiterlebens eines Menschen im Computer, sowie Rückehr in die körperliche Existenz. Laserkanonen scannen und absorbieren die Molekülstruktur des Körpers. Als Informationsmuster existiert diese personale Einheit wie ein Programm im Computer.

Vergleiche auch: "Beam me up, Scotty!".

Schneiden

Rechnen
= Matter Transform Sequences[1]

Claudia Reiche

Das Visible Human ProjectTM der National Library of Medicine schreibt eine neue Geschichte der Abbildung.

 

Umstellung

"Es ist ein Ziel der 'National Library of Medicine' (U.S.) auf digitaler Basis eine neuartige 'Image Library' aufzubauen. Es wurde beschlossen, nicht mehr allein die Sammlung, Systematisierung und Bereitstellung medizinischer Bücher, Zeitschriften und von Bildmaterial zu betreiben, sondern umfangreiche Datenbanken zu erstellen und so eine Umstellung auf digitale Bildverarbeitung zu erreichen. ... Die verwalteten Bilddaten sollen in elektronischen Netzwerken unter verschiedenen Fragestellungen zugänglich sein. Intelligente Programme, sogenannte Agenten, führen selbstständig Suchbefehle in der anwachsenden und komplex organisierrten Datenmenge durch. ... Programme zur selbstständigen Bildinterpretation, z. B. in Form von automatischer Mustererkennung werden für die speziellen Anforderungen dieser digitalen Bild-Bibliothek weiterentwickelt." So und ähnlich heißt es in leicht variierten Texten der "National Library of Medicine" im WorldWideWeb. Diese knappen Nachrichten einer technischen "Umstellung" haben einen entscheidenden Nachteil, sie verbergen ihre entscheidende Neuigkeit, die sich allerdings nachträglich in Form von Fragen bemerkbar machen kann.

 

Übertragung

Zum Beispiel wäre mit Blick auf das "Bild" in einer solchen digitalen "Image Library" zu fragen: Welche neuen Eigenschaften haben diese "Bilder"? Wo hört das "Bild" auf und wo fängt der "Text" an? Oder: Sind das noch "Bilder", um die es hier geht? Das Problem ist,wie können umfassende medientechnologische Veränderungen im Verhältnis zu Bekanntem artikuliert werden? Die gegenwärtige technologische Verschiebung des Bildes und seiner Funktionen verlangt eine sprachliche Übertragung, die sich im Wort "Bild" bereits unsichtbar als Bedeutungsverschiebung abgespielt haben wird. Und nicht nur dort.

Ausführung

Denn das Ziel der "Image Library", ein "universelles visuelles Wissen über den Menschen" zu gewinnen, stellt in der provokanten Antiquiertheit der Formulierung doch eine neue Aufgabe dar. Und zwar insofern dies "Wissen" über den "Menschen" in einem neuen Medienformat erstmalig als programmierbare Datenorganisation und -manipulation aufgefaßt wird. Es liegt nahe hier zu ergänzen, daß das tatsächlich neue "Wissen" über den "Menschen" nicht in den Texten und Bildlichkeiten der zukünftigen digitalen Bibliothek aufzusuchen sein wird, als vielmehr in den "menschlichen" intelligenten Funktionen der Software neu organisiert und formuliert wird. Eine sprachliche und medientechnische Transformation größten Ausmaßes ist in dem so formulierten Projekt der "National Library of Medicine" angezeigt: nämlich des "Wissens", des "Bildes" und des "Menschen" selbst - mit allen Auswirkungen auf das Wissen, das Bild und den Menschen.

The Visible Human Project

In mehrfacher Hinsicht spektakulär und aufschlußreich ist nun das erste Projekt auf dem Weg zu einer solchen digitalen "Image Library", das die "National Library of Medicine" in Auftrag gegeben hat. nämlich "The Visible Human Project". Im Gegensatz zum knappen Duktus der Mitteilungen über das Gesamtvorhaben, explodieren in diesem Fall geradezu Anzahl und Stil der Veröffentlichungen. Für diese neuartige Beschreibung des "sichtbaren Menschen" sollten zunächst Volumendaten eines "complete normal adult male and female" erfaßt werden, und zwar im wesentlichen durch digitalisierte photographische Querschnittsbilder menschlicher Leichen, ergänzt durch eine Anzahl computertomographischer und Magnetresonanz-Bilder. Als das Erstaunliche dieses Projekts kann nun gerade die Verwendung photographischer Verfahren gelten. Denn wenn photographiert wird, muß das Innere des Körpers durch Messer sichtbar gemacht werden; Schicht für Schicht muß der Körper von Kopf bis zu den Füßen in immer neue Schnittflächen abgehobelt werden, Photo für Photo weitere Gewebeschichten freigelegt und zerstört werden, bis mit Beendigung der Bilderserie vom menschlichen Körper nur noch gefrorene Hobelspäne im Submillimeterbereich übrigbleiben.    An einer männlichen und einer weiblichen Leiche wurde diese Prozedur bereits durchgeführt. Als digitaler "Adam" und als digitale "Eva" gefeiert, sollten bereits die im Computer gespeicherten einzelnen digitalisierten Photographien die neue digitale Ära des Menschen verkünden.

aus "BILD Hamburg" vom 1.2.1995:

Ein Mörder wird für den Computer zerlegt.
Erst hingerichtet, tiefgefroren, dann in 1870 Teile geschnitten
Er nickte noch einmal kurz seinem Bruder zu. Dann faltete er seine Hände auf der Brust und starrte an die Decke - bis er nichts mehr sah.
Der Mörder Joseph Paul Jernigan wurde vor 17 Monaten mit der Giftspritze higerichtet. Sein Körper aber lebt weiter - auf Computer-Bildschirmen in der ganzen Welt.
  Jernigan (er erschoß einen Wachmann) war 39 als er starb. Und bemerkenswert gesund. Er vermachte seinen Körper der Wissenschaft ( "Ich habe etwas gutzumachen"). Dr. Victor Spitzer, Universität Colorado, nahm sein Angebot für das Projekt "Visible Man" an.
  Der Leichnam wurde nach der Hinrichtung in Huntsville (Texas) nach Denver geflogen. Man legte ihn in eine Holzmulde, übergoß ihn mit blauem Gel und fror ihn bei Minus 70 Grad ein. Den Eisblock zersägten Techniker in 1 Millimeter dünne Scheiben.
  Experten fotografierten jede dieser 1870 Scheiben mit Röntgen und Spezialkameras. Die Aufnahmen wurden digitalisiert und gespeichert: Ein kompletter Atlas des menschlichen Körpers.
  Das dauene 6 Monate und füllte im Computer 15 Gygabyte mit Informationen - 5mal mehr als im größten Lexikon. Kosten: 1,6 Mio. Mark
  Medizin-Studenten der ganzen Welt werden ihr Studium an dem Körper des Mördens absolvieren. Sie werden sehen wie er auf Krebs reagiert, wie ihn das Alter verändert.
  Zur Zeit wird eine einfachere CD-ROM für den Biologie- Unterricht an Schulen vorbereitet- und ein Programm für den Körper der Frau erarbeitet. Sie starb mit 59 an einem Herzkollaps.

Zeitungsauschnitt vom 1.2.1995, BILD-Hamburg

 

Neuer Mensch

Der einzige bildtechnische Vorteil der realen Schnitte bei der Datengewinnung für den "Visible Human" besteht in einer hochauflösenden Bildqualität mit einem "realistischem" Eindruck des Körperinneren durch digitalisierte Photographie. Datenmengen von bis zu 42 Gigabyte bestimmen diesen neuen Menschen: als Serie von Querschnittsbildern. Als konzeptionelle Innovation kann sich dieses Verfahren allerdings kaum bezeichnen, denn das Zerfetzen eines Körpers zu einer formlosen Masse, auch wenn es mit einer computergesteuerten Schnittanlage besorgt wird, inszeniert die Datengewinnung im "Informationszeitalter" der Medizin als Beispiel unbeholfener Gewaltsamkeit. Nicht als unmerkliche Durchdringung der Körpergrenzen mithilfe verschiedener Wellen, wie Röntgenstrahlen, Ultraschall oder Radiowellen, sondern eher entlang den Vorstellungen eines furchtbaren, "kannibalischen" Verschlingens stellt sich die Erzeugung des "neuen, digitalen Menschen" dar. Extrahiert wird einem vernichteten Körper eine Essenz, die einst ebenso magisch an den "Kannibalen" übergegangen sein soll, wie sie heute als kostbare Datenausbeute dem Rechner einverleibt wird. Als Rohstoff, der mithilfe eines Menschenopfers wie eine mythische, "reine Substanz" gewonnen wurde, wird die Bildausbeute der Leichen nun tatsächlich gehandelt. Es geht um "Information", um 42 gigabyte, bereit für alle Arten zukünftiger Anwendungen.

 

The Visual Human Viewer. Main Panel Lebender Leichnam

Als Verschmelzung von Mensch und Computer, verbunden mit der Vorstellung, der Leichnam "lebte" entmaterialisiert als Datenmenge im Computer weiter, wurden bereits die ersten Photoserien der digitalisierten Leichenschnitte in den Medien aufgenommen. Eine Fetischisierung der Informationsmenge, die in immer wiederholten Mengen- und Maßangaben des Projekts in Erscheinung tritt, verstärkt das Phantasma einer restlosen, vollständigen Übertragung eines "Menschen in den Computer". Als bekanntes Motiv aus Science Fiction-Filmen assoziiert sich hier sogar eine mögliche Rückkehr "vollständiger" Datensätze in die körperliche, materielle Welt. Wird so die Identität eines Menschen als erfaßbare Information in verschiedenen materiellen Zuständen imaginiert, so verschalten "Matter Transform Sequences" in populären Vorstellungswelten beliebig Zeiten, Räume, Leben und Tod.

Eine Vielzahl von Fernsehberichten, populären und wisssenschaftlichen Artikeln, hat sich bereits im internationalen Maßstab der Darstellung des "Visible Human" gewidmet und die skizzierten Vorstellungswelten den konkreten Bildern angelagert. Auch fehlt in keinem Führer durch das WorldWideWeb der Hinweis auf die dort aufzurufenden Datensätze der aufgeschnittenen Leichen.

 

http://www.nlm.nih.gov/research/visible/visible_human.html

 
Anschaulichkeit

Wie ist die Popularität des "Visible Human Projects" zu erklären? Neben einem allgemeinen Interesse an Tabuüberschreitungen und Gewaltsamkeiten scheint hier noch anderes im Spiel zu sein. Vermeintlich anschaulich kann hier noch beschrieben und gezeigt werden, was in Worten und Bildern kaum vorstellbar zu machen ist: die Veränderungen des "Bildes", wie es bisher auf der materialen Basis analoger Aufzeichnung - insbesondere der Photographie - gedacht wurde zu einer neuartigen digitalen Bildlichkeit.

Im gleichem Maße wie die reißerischen Berichte über die Prozeduren mit den tiefgefrorenen Leichen neue Denkmöglichkeiten des digitalen "Bildes" behindern, nähren und bebildern sie eine allgemeine Faszination für beängstigende, noch schier unglaubliche Möglichkeiten, die eine neue Bildtechnik verspricht. Die historisch deplazierte Leichenschau mit Messer und Photoapparat kann unter dem Gesichtspunkt von Aneignung und Darstellbarkeit auch dazu dienen, die Ablösung analoger Bildtechniken durch Datenprocessing als Auflösung eines lebenden Körpers in einen zerschnittenen Gewebe- bzw. Datenhaufen zu erzählen. Die Photographien eines sukzessiven Verschwindens einer Leiche "dokumentierten" so in einer paradoxalen Figur zugleich das Verschwinden ihrer selbst, der photographischen Technik - als bisheriges Paradigma dokumentierender Funktionen.

 

Neue Photographie
[3]"..denn das Unheimliche ist wirklich nichts Neues oder Fremdes, sondern etwas dem Seelenleben seit alters her Vertrautes, das ihm nur durch den Prozeß der Verdrängung entfremdet worden ist. ...Abgetrennte Glieder, ein abgehauener Kopf, eine vom Arm gelöste Hand..., Füße, die für sich alleine tanzen ... haben etwas ungemein Unheimliches an sich, besonders wenn ihnen ... noch eine selbstständige Tätigkeit zugestanden wird. ...Es kommt oft vor, daß neurotische Männer erklären, das weibliche Genitale sei ihnen etwas Unheimliches." Sigmund Freud, Das Unheimliche (1919).
Immerhin überschreiten die Möglichkeiten der neuen computererzeugten Bildlichkeit in neuer technischer Faktizität bisherige Tabus wissenschaftlicher Rationalität, zum Beispiel die sichere Unterscheidung zwischen Realität, Dokument und Fiktion. Verständlich wird das Bestreben die Glaubwürdigkeit photographischer Aufzeichnung im Sinne eines treuen Abbildungsverhältnisses auf die digitale Bildbearbeitung hinüberzuretten. Diese widersprüchliche Denkbewegung inszeniert das "Visible Human Project" in Gestalt populärer Veröffentlichungen, indem es die schöne Leiche "Photographie" in abbildldicher Ähnlichkeit in den Computer hinüberrettet, mit den Konsequenzen einer Rückbindung an kindliche Ängste, die vertrauten Vorstellungswelten des Übersinnlichen und Unheimlichen.[3] Denn einen Ausweg aus diesem Widerspruch bietet allein die Wendung ins Phantastische, das diese "neue Photographie" dann auszeichnen muß - in einem überschießenden Glauben an das neue "Bild", das so als lebendiges phantasiert wird.

Dies geschieht nicht zum ersten Mal. Ebensowenig, wie die neuen Fragen zum Bild sich zum ersten Mal stellen, gibt es auch für die Inszenierungen unheimlicher, übersinnlicher Eigenschaften neuer Bild-Medien historische Vorbilder.

 

Wiedergänger
KINO
[4]"Der Maler beobachtet in seiner Arbeit eine natürliche Distanz zum Gegebenen, der Kameramann dagegen dringt tief ins Gewebe der Gegebenheit ein. Die Bilder die beide davontragen, sind ungeheuer verschieden. Das des Malers ist ein totales, das des Kameramanns ein vielfältig zerstückeltes, dessen Teile sich nach einem neuen Gesetze zusammenfinden." Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (1936)
Eine ebenso radikale Wandlung des "Bildes" und der Wahrnehmungsweisen, wie sie aktuell stattfindet, kann beim Aufkommen der klassischen technischen Bildmedien, besonders beim Film, erinnert werden. Geradezu als wörtliche Wiederholung der historischen Reaktionen auf die sensationelle Neuheit des filmischen Bilds präsentieren sich die aktuellen Übergangsphänomene. Denn um die Jahrhundertwende waren es die Bilder des Films, denen Transformationen zwischen Zeiten und Räumen, Lebendem und Totem zugesprochen wurden, die den Gesetzen der Vernunft entzogen schienen. Bereits im Sinne einer technischen Produktbezeichnung wurden die neuen Bildstreifen "Lebende Photographien" oder sogar noch universeller: als "Lebendes Bild" bezeichnet. Frühe Tricktechniken erlaubten z. B. ein plötzliches Verschwinden und Wiedererscheinen einer Person durch Stoptrick, Doppelgängeraufnahmen oder die spurlose Wiederherstellung von Zerschlagenem und Zerstörtem durch rückwärts montierte Sequenzen. So konnte das Register des Unheimlichen und Übersinnlichen einmal mehr als Ausarbeitung der filmischen Illusion gegen den herrschenden medientechnischen Standard und den Augenschein ausgespielt werden. Als Wiederauferstehung von Totem zu Lebendem, als Wiederkehr von Vergangenem zu neuer Gegenwart wirkte der filmische Effekt, so wie heute der digitale "Adam" als im Computer Wiederbelebter phantasiert wird.[4]

 

Eindringen

Doch was heißt es, wenn mit gleichen Worten und bildlichen Vorstellungen operiert wird, um etwas jeweils Neues darzustellen? Die Frage stellt sich auch unter Berücksichtigung der historischen Maskerade der Worte und Darstellungsweisen, ob nicht die aktuelle Transformation des Bildes tiefer in das Gewebe der Vorstellungen und Fakten eindringt als es je der Fall war. Als Datenprocessing implementiert, entdifferenzieren nicht nur Worte und Bilder, sondern vermischen sich unter dem Signum "Information" auf neue Art mit dem Bezeichneten. Umgewandelt wird insofern nicht nur jene Materie, die zwischen Worten und Bildern Vorstellungen generiert, sondern auch materielle Transformationen im physikalischen Sinn sind hier "vorprogrammiert". Neue Vermischungen von "Menschen" und "Bildern" im Sinne materieller Zu- und Eingriffe in lebende Körper finden bereits statt, wie Bezüge zu den Techniken der Genetik und der virtuellen Realität zeigen.

 

 
Gentechnologie

Denn verwandt zu den Plänen einer "Digital Image Library" zeigt sich unter dieser Perspektive die Humangenetik, die ebenfalls an einem "universellen Wissen über den Menschen", an der Ausbeute von "Information" aus dem "Menschen" arbeitet. Ebenfalls als Bilddatenauswertung stellt sich das "Human Genome Project" dar, mit dem Ziel Veränderungen der Informationsstruktur des "Menschen" selbst zu ermöglichen. Aus der Entzifferung der menschlichen Erbsubstanz wird der "vollständige Bauplan des Menschen" rekonstruiert, niedergelegt als "genetische Bibliothek" in Buchstabenreihen. Gentherapeutische Eingriffe in diese "genetische Bibliothek" können wie Befehle in einem bildverarbeitenden Programm das Erscheinungsbild des Körpers verändern. Eine Idee vom "Menschen" als Visualisierung seiner Datenstruktur wird hier formiert.
    Auch die Bildauffassung einer medizinischen "Digital Image Library" könnte aus dieser Perspektive als Entzifferung der im Bild verborgenen, jetzt sichtbar gemachten Information über den "Menschen" gelten: als Entzifferung seiner "bildlichen Substanz" eine "Genetik am Bild" darstellen. Denn nicht nur der Bauplan des digitalen Bildes selbst ist als Datenmenge analysierbar und manipulierbar gemacht, sondern über die Entzifferung des Bildes soll auch der Bauplan des Abgebildeten, des "Menschen" erkannt und bearbeitet werden können. Doch wie könnten durch Manipulationen digitaler Bildlichkeiten direkte Zugriffe auf das Referenzobjekt der Abbildung, einen lebenden Körper, möglich sein?

 

 

 
Telepräsentische Chirurgie
Operationssaal Im Modus der virtuellen Realität werden bereits Operationsumgebungen im Rechner geschaffen, die mit visuellen und taktilen Aus- und Eingabegeräten einen chirurgischen Eingriff simulieren können. Chirurgen können komplizierte Eingriffe, z. B. in der Neurochirurgie am Gehirn, an dem individuellen Datenmaterial des Patienten trainieren oder sogar in zukünftigen telepräsentischen Anwendungen tatsächliche Eingriffe am Patienten vornehmen. Durch robotische Endgeräte die auch aus großen Entfernungen via Satellit ansteuerbar sein werden, können zukünftig an individuellen "Datenkörpern" Veränderungen vorgenommen werden, die "übersetzt" und am lebenden Patienten ausgeführt werden. Operiert wird so im eigentlichen Sinne am "Bild" mit lebensentscheidenden Konsequenzen für den derart Abgebildeten. Chirurg

 

Sprachliche Operationen am Bild

Mit diesen bereits in Anfängen realisierten Möglichkeiten telepräsentischer Zugriffe durch das "Bild" auf reale Personen, sowie den Möglichkeiten gezielter gentechnologischer Eingriffe in die "Information" von Körperzellen, kann die Konzeption einer "Digital Image Library" als Teil einer allgemeinen Auflösung der bisher bekannten Grenzen zwischen Worten und Dingen, belebter und unbelebter Materie behauptet werden.

Das heißt: Zurück auf Anfang und fragen: Auf welche Weisen kann von diesen Transformationen des technisch Machbaren und Denkbaren gesprochen werden? Und welche Weise kann diese Darstellung als geeignete wählen?

Darum wird es gehen: die Veröffentlichungen zum Projekt "Visible Human" unter dieser Frage als Zeichen zu lesen, um die zitierten Vorstellungen und Bildwelten in einer neuen technologischen Konstellation zu analysieren. Meine Arbeit mit Texten und Bildern versucht, die medienhistorische und phantasmatische Seite der medialen Inszenierungen des "Visible Human Projects" zu entziffern - als sprachliche Operation an Bildern und Eingriff in ihre Informationsstruktur.

 

aus: Übergangsbogen und Überhöhungsrampe.
Naturwissenschaftliche und künstlerische Verfahren,
hrsg. von Bettina Sefkow, Bogomir Ecker, Hamburg 1996

 

  'Lebende Bilder' aus dem Computer
 
 ARTIFICIAL LIFE
 
mehr im Internet:
  Visible Human ProjectTM
http://www.nlm.nih.gov/research/visible/visible_human.html

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