Aus dem Reader
zu dem Vortrag
GEBÄRDEN IM COMPUTER
von Ulrike Bergermann

Gebärde [ahd. gibarida >Benehmen<, eine Ausdrucksbewegung. Man unterscheidet:

1) angeboren (Instinkt), arteigene Körperhaltungen und Bewegungen,
die von jedem Artgenossen ohne weiteres verstanden werden auch >Auslöser< genannt. Der menschlichen, arteigenen Mimik am ähnlichsten scheinen sie bei Affen, vor allem Menschenaffen (z.B. Lächeln), zu sein. Indem sie die zugehörige Stimmung übertragen oder verstehen lassen, wirken sie >ansteckend<; darüber hinaus haben die Bienentänze diskursiven Mitteilungswert (Sprache). Die vergleichende Verhaltensforschung registriert möglichst alle Ausdrucksweisen bei vielen Tierarten im Ethogramm oder Aktionskatalog.
2) gerichtete Gebärden.
Beim Menschen können arteigene, von Natur aus unwillkürliche Ausdrucksbewegungen, aber auch Zweckbewegungen (Lachen Weinen, Lächeln, Gehen-Schreiten, Sehen, Knien Kauern, Seufzen, Erröten usw.) willkürlich gebraucht werden - in dem Streben, darzustellen oder auszudrücken. Das Gebaren kann hier von Brauchtum und Sitte bestimmt sein (rituelles Lachen, rituelles Weinen, Knien und Schreiten bei Tod, Hochzeit, Fruchtbarkeitsriten, im Gottesdienst, im Rechtsbrauchtum). Dies geht so weit, daß etwa Verbote zu weinen zu lachen oder erotische zärtliche extensive G. zu zeigen; zu einer scheinbar unwillkürlichen oder angeborenen Gebärdenkultur führen können, die für Altersgruppen, Geschlechter, kleinere Gemeinschaften (Mönche, Priester, Adelige, Richter, Häuptlinge, Zauberer, Medizinmänner) oder für Völker und Nationen insgesamt verbindlich werden.
3) poietische Gebärden.
Sie sind entwickelt worden aus arteigenen oder auch artfremden (zB. aus dem Tierreich genommenen) G. und aus zweckmäßigen Körperbewegungen oder in der Reproduzierung bildhafter Erscheinungen durch Nachahmung oder Nachmachen (Tanz, Schauspiel).
4) konventionelle Gebärden.
Sie sind künstlich und nach Übereinkunft gestaltet und bedeutend für Gruppen, die aus irgendwelchen Gründen auf Verständigung durch das Wort verzichten müssen (Maschinisten, Jäger, Soldaten, Kraftfahrer, Seeleute usw.).
5) Die Gebärden der Gehörlosen
entwickeln sich aus den natürl. Ausdrucks- und Darstellungsbewegungen des sprachlos aufwachsenden Kleinkindes. Im Umgang der Gehörlosen miteinander gleichen sich die G.-Zeichen an, wobei sie ihren urspr. konkreten Bezug meist verlieren. Sie sind flexionslos und mehrdeutig. Zur Verkehrssprache fortentwickelt,verfügt die G.-Sprache über eine eigene Form der Bezugsdarstellung, die - regional verschieden ausgebildet - von der Syntax der Lautsprache erheblich abweicht.
Brockhaus Enzyklopädie, Band 6, Wiesbaden 1968

 

 

 Auf Fingerzeig
 
 Bewegung und Geschlecht
in Kleists Marionettentheater und in Bildern von Virtueller Realität

 

 

 

 

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