Programm des Laboratoriums
Einzelveranstaltungen 4.10. - 31.10.97

Hält für Tage Eine Behandlung und eine Beobachtung Aktion von Birgit Brenner und Andrea Stahl »Lichthaus Sa  4.10.97 | 20:00


Frankenstein
The Man who made a Monster (1931)   »
Filmvorführung
vorher einige Bilder aus Frankenstein (1910)
Kino 46Do 16.10.97 | 20:30

dies ist mein Körper...
dies ist meine Software
Videopräsentation
und Vortrag von

ORLAN

 

 

mit Kommentaren von
Ulrike Dünkelsbühler, Barbara Engelbach, Rose Pfister, Eva Schmidt, Bettina Sefkof und Silke Wenk »

Lichthaus Sa 18.10.97 | 19:00

Virtuelle Menschen Videopräsentation und Vortrag von Nadia Magnenat-Thalmann » Städtische
Galerie
Mi 22.10.97 | 20:00

Carne per FrankensteinFilmvorführung von
Andy Warhol´s Frankenstein ( 1973)
»
Kino 46Fr 24.10.97 | 22:30
Sa 25.10.97 | 22:30
So 26.10.97 | 18:30

   Alraune (1927) Filmvorführung
mit Klavierbegleitung
Marie-Louise Bolte   »
Kino 46 Fr 31.10.97 | 20:30

 

Symposium im TheaLit 1.-2.11.97

Samstag, 1.11.1997

Der Körper des Künstlers/ der Künstlerin:
Subversion oder Affirmation medialer Repräsentationen im Kontext von Künstlermythen
  »
Vortrag von
Sigrid Schade-Tholen

Leben am Faden
Von der Marionetten-Kunst Kleists
»
Vortrag von
Marianne Schuller

Gebärden im Computer
Kleists Marionette, Mareys Bewegungsbilder und der Dataglove zur Gebärdenspracherkennung  »
Vortrag mit Bildern von
Ulrike Bergermann

Digital Eingetragenes Warenzeichen  » Vortrag von
Renate Lorenz

Viren
Wahre Geschichten von Körpern und Mutationen  »
Vortrag von
Claudia Jost

Artificial Life
- lebende Computer-Spiele als Modelle der Natur? »
Einführung
Video und Computer-Experimente von
Claudia Reiche

 

Sonntag, 2.11.1997

Visible Human ProjectTM  » Vortrag mit
Video- und CD-ROM Präsentation von
Claudia Reiche

bodyscan  » Computerpräsentation von
Eva Wohlgemuth

Crash der Untoten  » Vortrag mit Videobeispielen
Anja Overdiek

Geisterleben, Menschenessen
Die kannibalische Ordnung und ihre magische Wirkung  »
Vortrag von
Andrea Sick

Neue Lebensformen im Netz  » Vortrag und Demonstration von
Helene von Oldenburg

 

 

Birgit Brenner
&Andrea Stahl

Hält für Tage
Eine Behandlung und eine Beobachtung.

"Für den Kontakt mit der normalen menschlichen Haut bestehen keinerlei Bedenken."
Pharmatox Beratung und Forschung GmbH

In einem improvisierten Tattoostudio werden verschiedene Begriffe als Hautschmuck angeboten. Das offerierte Sortiment ist auf wasserlöslicher Basis aufgebaut, abwaschbar, allergiefrei und umfaßt Worte wie entseelt, aufgeblät, vollgestopft, durchblutet.

Couragierte Anwesende erhalten die Möglichkeit, ihre Haut von fachkundigem Personal beschriften zu lassen. Die Wortwahl erfolgt aufgrund persönlicher Entscheidungen der Probanden. Nach Festlegung ihrer Kennung finden sich die Versuchsteilnehmer in einer Gruppe mit anderen Begriffsträgern wieder, die sich für die gleiche Formulierungentschieden haben. Die gewählten Begriffe werden nach Häufigkeit im Anschluß an die Aktion statistisch ausgewertet.

Darüberhinaus wird die Gesamtsituation durch das Objektiv einer Überwachungskamera gesehen und an verschiedenen Schauplätzen schemenhaft aufgelöst übertragen. Die Verbildlichung der Anwendungen macht die Zuschauer zu Mitwirkenden, zu Bestandteilen eines bewegten Tableaus.

  Eine Behandlung und eine Beobachtung

 

Frankenstein The Man who made a Monster
- rekonstruierte Fassung -
(USA 1931, 70min, s/w, OF)
Regie:
James Whale
Buch: Garret Forst und Frances Faragoh, nach dem Roman "Frankenstein oder Der moderne Prometheus" von Mary Wollstonecraft-Shelley, 1818
Darsteller: Colin Clive, Mae Clarke, John Boles, Boris Karloff, Edward van Sloan u.a.

"If you have a weak heart and cannot stand intense exitement or even shock, we are advising you not to see this production", warnte die Universal. "If, on the contrary, you like an unusual thrill, you will find it in Frankenstein." Eine ungewöhnliche Sensation ist diese erste Tonfilmversion des Frankenstein-Themas noch immer. Geht es doch schlicht um den Horrorfilm der 30er Jahre, der mit dem wiedergefundenen Prolog gezeigt wird, einer "freundlichen Warnung" an das Publikum. Der Klassiker erzeugt indes den größten Schrecken vor dem aus Leichenteilen zusammengeflickten, verheerenden Monster gerade indem er die Unschuld dieses "künstlichen Menschen" herausstellt. Die sonderbar "seelenvolle"  Darstellung Boris Karloffs bringt es mehr als Opfer denn als Täter in Erscheinung und potenziert die filmische Inszenierung. Deren Wirkung verdankt sich nämlich weniger der Darstellung grausamer Details als der stilsicheren Schilderung einer verdichteten Atmosphäre, in der Ungeheuerliches wie selbstverständlich geschieht. Gespielt wird eine rekonstruierte Fassung, in die bisher zensierte und verschollene Schlüssel-Szenen wieder eingefügt sind, z.B. das Ertrinken des kleinen Mädchens.

 Die Maske von Jack Pierce aus einem Artikel von Helene Weigel Brown im "Picturegoer" 23. April 1932
  Introduction by Boris Karloff
  Das Monster erwacht

 

ORLAN
dies ist mein Körper ... dies ist meine Software

Intervention

"Wahrnehmung: Jetzt kann ich meinen eigenen Körper offen sehen, ohne zu leiden! Ich kann mich bis auf den Grund der Eingeweide sehen: neues Spiegelstadium. "Ich kann das Herz meines Geliebten sehen und seine herrliche Zeichnung hat nichts zu schaffen mit dem symbolischen Getue gewöhnlicher Zeichnung." - Chérie, ich liebe deine Milz, ich liebe deine Leber, deine Bauchspeicheldrüse bete ich an und die Linie deines Schenkelknochens erregt mich." (Orlan, L´Art Charnel)
Der Operationssaal ist das Atelier, aus dem heraus die Werke entlassen werden: Reliquienschreine des Fleisches, Zeichnungen des Blutes, Photos, Filme, Videos... Als klassische Arbeit am Selbstportrait versteht sich die Serie von Eingriffen plastischer Chirurgie, die den Prozeß der "Re-Inkarnation der St. Orlan" darstellen. Gezeigt wird unbearbeitetes Videomaterial des siebten chirurgischen Eingriffes, einer Performance am 21.11.93 in New York, das per Satellit live in Galerien auf der ganzen Welt übertragen wurde. Orlan wird dazu die Prinzipien ihrer "Art Charnel" vortragen und diskutieren.

Mit Kommentaren von:
Ulrike Dünkelsbühler, Barbara Engelbach, Silke Wenk.

Dolmetscherin: Gudrun v. Vivis

  L´ART CHARNEL
  CONFÉRENCE

 

Nadia Magnenat-Thalmann
Virtuelle Menschen

Vortrag mit Videopräsentation

Schon seit fast zwanzig Jahren betreibe ich Forschungen im Bereich der "virtuellen Akteure". Schon 1982 gelang es mir und meinem Team die Bewegungsabläufe einer Skelett-Figur in einer 3-dimensionalen Umgebung zu simulieren - in dem Film namens "Traumflug". Seit 1987 beschäftigen wir uns mit der Simulation weltberühmter Filmschauspieler: Marilyn Monroe und Humphrey Bogart. Berühmt geworden ist unser Film "Rendez-vous in Montreal", in dem sich beide wieder zu virtuellem Leben erweckten Schauspieler in einer Bar treffen. Daraufhin konzentrierte sich die Arbeit auf die noch "realistischere" Darstellung der Akteure, zum Beispiel auf die Simulation der Gesichtsausdrücke und überhaupt die virtuelle Darstellung eines bekannten Menschen.
Heute versuchen wir Echt-Zeit-Performances zwischen Benutzern auf verschiedenen Kontinenten zu ermöglichen, die - repräsentiert durch virtuelle Akteure - simulieren miteinander Tennis zu spielen oder zu  tanzen.  Man manipuliert dazu seine eigenen Clone oder Avatare und hat das Gefühl in der virtuellen Welt zu sein.  Die Darstellung des Körpers hat uns sehr interessiert und natürlich mehr als das: die Simulation des Lebens, der Bewegung, der Autonomie, denn dies ist etwas, was bisher kein Künstler machen konnte. Durch die mathematischen Gleichungen und die graphische Darstellung des Körpers ist es jetzt möglich, Wissenschaft und Kunst tief zu verbinden.

Virtual humans play important role...

 

Andy Warhol´s Frankenstein
Carne per Frankenstein
Deutschland - Frankreich - Italien 1973, 94 min, color, OF
Regie:
Paul Morrisey
Darsteller: Udo Kier, Joe Dallesandro, Monique van Vooren, Srdjan Zelenovic, Dalila di Lazarro u.a.

"Campy and disgusting!", mit diesem und ähnlichen Ausrufen wird das monströse filmische Werk von Paul Morrissey immer wieder bedacht. Und das ist noch zaghaft formuliert,  denn kaum ließe sich eine herrlicher geschmacklose, sexualisierte und formal wie inhaltlich gewalttätigere Variante des Frankenstein-Stoffs vorstellen. Für das Originalformat "Space Vision" konzipierte räumliche Effekte lassen literweise Filmblut aus unzähligen abgeschnittenen Gliedmaßen und Köpfen in die Kamera und fast in die Kinoreihen spritzen. Und dabei geht es wesentlich um körperliche Schönheit, aber eben nur darum: die fixe Idee des Forschers Frankenstein, ein ideal schönes, künstliches Menschenpaar aus Leichenteilen zu schaffen. Sein eigenes Adam-und-Eva-Paar soll die klassische Schönheit der serbischen  Rasse vollendet verkörpern ... Daß am Schluß nur die mordgierigen Kinder dieses Paares überleben werden, wird nach der Anlage des Plots nicht weiter verwundern - "horribly stylish", "häßlich und genial" oder  "der Horror - Hit des Jahres..."?
Zu sehen ist diese Rarität  als einzige noch spielbare 2D -Kopie.

 Inhaltsangabe des Horror - Hit des Jahres 1973
 taz Kritik 23.10.1997

  und noch mehr

 

Alraune
(Deutschland, 1927/28, 136min, s/w, stumm)

Regie: Henrik Galeen
Buch: Henrik Galeen nach dem Roman von Hanns Heinz Ewers 1911
Darsteller: Brigitte Helm, Paul Wegener, Ivan Petrovich, Mia Pankau, Georg John, Valekska Gert u.a.

Klavierbegleitung: Marie-Louise Bolte

Professor ten Brinken beschäftigt sich seit Jahren mit dem Problem künstlicher Befruchtung. Es gelingt ihm mit dem Samen eines soeben Gehenkten eine Prostituierte zu schwängern, die bei der Geburt ihr Leben verliert. Doch ein künstlicher Mensch ist geschaffen: Alraune. So nennt der Professor das Mädchen in Anlehnung an die mittelalterliche Sage der zum Leben erweckten Alraune - Wurzel, botanisch der Familie der Nachtschattengewächse zuzurechnen. Das Mädchen Alraune, unwiderstehlich schön, gefühllos und grausam, ruiniert alle Männer, die ihren Weg kreuzen. Nachdem sie das Geheimnis ihrer Herkunft erfahren hat und sich vernichtend am Professor gerächt hat, endet die bisher katastrophische Linie der Handlung überraschend und unmoralisch mit einem Liebesglück für Alraune.
Rudolf von Arnheim 1928 über die rätselhafte, somnambule Darstellung Brigitte Helms: "Ihr Gesicht ist von Natur maskenstarr, und das geometrisch exakte Ellipsoid ihrer Wangen scheint von einer Drehbank, nicht aus einem warmblütigen Mutterleibe zu stammen. ... Sie ist gertenschlank und schmiegsam in den Gelenken, der Rumpf ist in die Arme und Beine mit kleiner Reibung eingehängt, und so genügt ein schwacher Anstoß, um das ganze Präzisionswerkchen in lebhafte Schwingung zu versetzen."

 Rudolf Arnheim , März 1928 ...über den Film
 Hanns Heinz Ewers, Berlin 1911 ...aus dem Roman

 

Sigrid Schade-Tholen
Der Körper des Künstlers/der Künstlerin:
Subversion oder Affirmation medialer Repräsentationen im Kontext von Künstlermythen

Seit den 60er Jahren haben Künstlerinnen die "Einschreibung des Subjekts in die Geschlechterordnung" auch mit dem Einsatz des eigenen Körpers als gewaltsamen, "einschneidenden" Prozeß inszeniert. (z.B. Export, Pane, inzwischen Orlan, evtl. Krystufek). Die Verdoppelung sollte diese Gewalt sichtbar machen und ist aus feministischer Perspektive als Kritik oder Subversion kultureller Zuschreibungen gelesen worden. In der Tradition der Künstlermythen lassen sich solche Strategien aber auch als klassische Märtyrer-Inszenierungen verstehen, die ein traditionelles Künstlerbild affirmieren. Insofern ist die Spektakularität solcher Aktionen zumindest ambivalent. Mich interessiert auch die Frage, ob darin eine Verwechslung von symbolischer Ordnung und dem Realen vorliegt.

 

Marianne Schuller
Leben am Faden
Von der Marionetten-Kunst Kleists.

Worin liegt die Faszination der Marionette? Kleists kleiner Text "Über das Marionettentheater" widmet sich dieser Frage. Aber wie? Kleist erzählt nicht nur über diese kleine mechanische Maschine , sondern das Erzählen selbst, das Gesetz der Sprache werden in die Frage nach dem Maschinellen verstrickt: Ist die Maschine das Andere des Subjekts? Ist das Subjekt "selbst" durch einen maschinellen Zug gekennzeichnet? Wes Geschlechts "ist" die Marionette? Ist die Marionette mit der Puppe verwandt? Man sieht schon: Es stellen sich Fragen angesichts des toten Zeugs, dem das Spiel Leben gibt. Der Vortrag wird ihnen nachgehen.

  Über das Marionettentheater

 

Ulrike Bergermann
Gebärden im Computer
Kleists Marionette, Mareys Bewegungsbilder und der Dataglove zur Gebärdenspracherkennung

Warum tote Buchstaben benutzen, wenn der Körper selbst sprechen kann? So könnte in zehn Jahren die Werbung für neue vernetzte Kommunikationstechniken lauten, die die Grenze von Virtueller Realität und Realität aus dem Blickfeld rücken will - und sie dadurch bestätigt, anstatt etwa den Begriff "Realität" zu verschieben. Ein nahtloses Eintauchen verspricht vor allem die Eingabe durch Gebärden: der Körper fällt in der digitalisierten Videoaufnahme optisch zusammen mit dem Inhalt der Dateneingabe, kann als Avator mit "eigenen" Bewegungen "fremde" Körperbilder steuern, er kann mittels Gesten / Gebärden im Cyberspace navigieren und Gegenstände manipulieren - und in der Gebärdensprache der Gehörlosen komplexe Inhalte durch codierte Bewegungen mitteilen. Wie der bewegte, abgebildete Körper als Zeichen jeweils Präsenz statt der gefürchteten digitalen Auflösung des Subjekts verspricht - oder aber: wie seine Abbildung zeigt, daß er allererst Produkt seiner Abbildung ist, wird an Beispielen aus der Geschichte der Bewegungsnotation von Kleist über Marey bis zu aktuellen gesture recognition interfaces verfolgt.

  Gebärde ....

  Auf Fingerzeig

  Bewegung und Geschlecht in Kleists Marionettentheater und in Bildern von Virtueller Realität

 

Renate Lorenz
Digital Eingetragenes Warenzeichen
"Wir manipulieren Bildaussagen dank Photoshop und manipulieren Lebensprozesse dank Gentechnologie" -
"Versuchskaninchen - Bilder und andere Manipulationen", Museum für Gestaltung Zürich

Überlegungen

  • zu einer Ausstellung und den sie begleitenden Texten, die Ähnlichkeiten zwischen Computer- und Gentechnologie feststellen. Über das Modische einer Beschäftigung mit Technologie und ihrer Ästhetik hinaus wird Wissen über Technologie kulturell festgeklopft, aus dem nicht-zufälligerweise bestimmte Perspektiven ausgeklammert bleiben: auf unterschiedliche industrielle Interessen und daran geknüpfte Verkaufsstrategien oder die institutionellen Kämpfe, aus denen dieses Wissen entsteht. Über Erkenntnismöglichkeiten in einem "digitalen Zeitalter" nachzudenken, setzt Technologie als gesellschaftlichen state of the art, nicht als eine Investition, gegen die Widerstand noch möglich ist.

  • wie das medientheoretisch abgeleitete Konzept von "Sehen" als Erkenntnismöglichkeit und der "neutrale" Informationsbegriff der Ausstellung deren kritische Strategie und Pluralismus als ihre Methode rechtfertigen.

  • wie sich eine technikkritische, feministische Perspektive - etwa hinsichtlich dieser Ausstellung - auch außerhalb einer Thematisierung der Geschlechterverhältnisse einnehmen läßt.

     Flyer  GAME GIRL, Zürich + München 1994

     ABWERTEN  (bio)technologischer Annahmen

  •  

    Claudia Jost
    VIREN
    Wahre Geschichten von Kunst / Körpern und Mutationen

    Mit dem Virus geht es um eine Sensation im Körper, die als Lesefehler und "blödsinnig" beschrieben wird. "Die Tochterzelle, der diese inkorrekte Kopie mitgegeben wird, übernimmt ein spezielles Herstellungsrezept mit vollkommen verändertem Sinn oder eines, das überhaupt sinnlos geworden ist. Das Originalrezept (...) ist dahin, und das neue Rezept verführt sie zwangsläufig dazu, entweder ein völlig anderes, höchstwahrscheinlich unnützes zu machen - oder überhaupt keins..." Man rätselt, "Warum in aller Welt eine Zelle so töricht  ist", ihre äußere Hülle mit Rezeptorfunktionen auszustatten, die das Virus anziehen, obwohl die Tochterzelle, die wie von Sinnen oder verliebt sein muß, es "keineswegs nötig" hat. Indem sie die Körperaffäre als mutierte, hysterische Sensation erotisiert, führt die Virologie vor, daß sich Wissen sexuell infiziert. - Aber die zwangsläufige Verführung wird in dem Programm, das Leben heißt, noch anders brisant. Der Lesefehler wird in der Vernetzung von Biomedizin und Informationstechnologien "selbst" inszeniert. Der Term der Codierung bringt den Körper in einer Weise hervor, die das Spielen auf der Tastatur des Lebens geradezu herausfordert.
    (Zitate: Wolfhard Weidel, Virus, Die Geschichte vom geborgten Leben,  Berlin 1957)

     Was sind Viren ...

     

    Claudia Reiche
    "Artificial Life" -
    lebende Computer-Spiele als Modelle der Natur?

    Einführung, Video, Computer- Experimente

    "Innerhalb von fünfzig bis einhundert Jahren wird voraussichtlich eine neue Klasse von Organismen entstehen. Diese Lebewesen werden in dem Sinne künstlich sein, als sie von Menschen gestaltet wurden. Dennoch werden sie sich fortpflanzen und in Formen umwandeln, die anders als ihr Ursprung sind. Sie werden "leben" in des Wortes eigentlicher Bedeutung. Der Beginn einer €ra des Künstlichen Lebens wird das wichtigste historische Ereignis seit der Entstehung des Menschen sein..." (Artificial Life II, hrsg. Ch. G. Langton u.a., 1989)
    Solche Prognosen liefert die neue Forschungsrichtung des Künstlichen Lebens, die - ausgespannt zwischen den Bereichen Informatik, Mathematik, Physik und Biologie - gewiß zu einer neuen begrifflichen Karriere des Wortes "Leben" beigetragen haben wird, das hier in den Parametern der Computer- Algorithmen bestimmt werden soll. Wie werden Experimente und Anwendungen aus dem Bereich des "Artificial Life" dargestellt? An Beispielen der fachspezifischen (populär)wissenschaftlichen Literatur, anhand eines Sach-Videos zum Thema sowie in Experimenten mit Programmen " zellulärer Automaten" wird diese Fragestellung ausformuliert und diskutiert werden.

    Videozitate aus "Simulationen des Lebens" (1995) mit freundlicher Genehmigung der Autorin Heike Schuster.

     

     ARTIFICIAL LIFE

      'Lebende Bilder' aus dem Computer

     

    Claudia Reiche
    The Visible Human ProjectTM

    Vortrag mit Video- und CD ROM-Präsentation

    Das Visible Human ProjectTM der National Library of Medicine (USA) schreibt eine neue Geschichte der Abbildung. Erklärtes Ziel ist es, auf digitaler Basis eine neuartige "Image Library" aufzubauen. Als erstes Projekt auf diesem Weg sind Volumendaten eines "complete normal adult male and female" erfaßt worden - im wesentlchen durch digitalisierte photographische Querschnittsbilder menschlicher Leichen. Die ersten "Bücher" dieser Art sind ein sogenannter digitaler "Adam" und eine digitale "Eva" als riesige Datenmengen von bis zu 42 Gigabyte. Welche Eigenschaften können die neuen Datenanordnungen haben, die zugleich als "Bildlichkeiten" wie als begrifflich ausgearbeitete "Informationsstrukturen" konzipiert sind? Als Material eines neuen "visuellen Wissens" gerühmt, das in Form von digitalen Wissensbanken auszuformulieren sein soll, scheint hier eine Überschreitung bisheriger wissenschaftlciher Rationalität betrieben zu werden: medientechnisch induziert, verwischen sich auf neue Weise die Unterschiede zwischen Dokument und Fiktion, in bestimmten Anwendungen auch zwischen Bildlichkeit und Realität. Journalistische und TV-Beispiele, ebenso wie einer aktuelle CD ROM Publikation zum Visible Human sollen als Formulierungsversuche eines neuen Status" von Bildldichkeit aufgefaßt und untersucht werden.

      Schneiden / Rechnen = Matter Transform Sequences

      'Lebende Bilder' aus dem Computer

     

    Eva Wohlgemuth
    bodyscan

    Computerpräsentation

    Im Februar reiste ich nach Monterrey, Californien um meinen Körper zu kartieren. Die x,y,z -Koordinaten von 285.000 Körperpunkten wurden abgenommen. Das Resultat ist ein Bodyscan, der die Oberfläche des Körpers beschreibt. Ich existiere fortan als digitales Datenobjekt, auch im Internet (http:thing.at/bodyscan).
    Viele aktuelle Körperarbeiten beschäftigen sich mit der Beschreibung und Generierung des imaginierten Cyberkörpers, der funktionsverbesserten Körpermaschine. Ich hingegen versuche, die Einflüsse und Parameter zu erforschen, die den Körper bestimmen und sehe ihn zuerst als dreidimensionale topologische Struktur. Ich betreibe Bodymapping im Sinn eines sozial-integrativen Remappings Ich habe bis jetzt zwei Projekte mit meinem Bodyscan verwirklicht: "personal information 1.0"; eine Computeranimation, die auf realen Tatoos basiert, die ich auf meinem Körper trage, läßt den Benutzer interaktiv meinen Körper erforschen. Die Audiospur gibt Daten zu meiner Person, z.B. "How I spend the day". Die zweite Arbeit "In/Out" bearbeitet den Körper als Außen- und Innenraum. Der Benutzer kannn über den Körper hinwegfliegen und in ihn eindringen. Hier eröffnet sich der Innenraum der Körperhülle als Träger von realem Bildmaterial, in welchem ich diverse Befindlichkeiten von mir selbst darstelle. Da die "digitale Eva" aber Täuschung, Simulacrum und Imitat des originären biologischen Körpers ist, wird eine Trennnung zwischen Innen- und Außenwelt unterlaufen. Mein Kunstkörper besitzt "Tiefe" und erforscht somit das, was als "Innerlichkeit" bezeichnet wird und die Integrität des Subjekts ausmacht.

      Der "I-'node'" ("Ich - Knoten")

     Christina Lammer-Laufenstein: über Eva Wohlgemuth´s bodyscan

     

    Anja Overdiek
    Crash der Untoten

    Vortrag mit Videobeispielen

    Ich möchte versuchen, in der Konstellation Leben/Tod/Begehren und ihrer Verschiebung durch die aktuellen Diskurse über künstliches Leben einen Ansatzpunkt für die Darstellung eines anderen Begehrens zu finden. Diese Diskurse legen eine neue Grenze des Lebendigen fest. Vor diesem Hintergrund werde ich zwei neuere Kinofilme betrachten: "Lost Highway" (David Lynch, 1996) und "Crash" (David Cronenberg, 1996). In "Lost Highway" sind die Menschen Marionetten einer trickreichen höheren Macht und ihr körperlicher Tod bedeutet nicht unbedingt die Auslöschung ihrer traurigen Existenz. In "Crash" ist das Leben eine möglichst gute Reproduktion und das Begehren richtet sich auf den Tod als die letzte mögliche Differenz. Das eine Mal sind Körper Staffagen, die gewechselt werden, das andere Mal organisch-artifizielle Hybride. Und auch wenn in beiden Filmen die "Frauen" als Untote identifiziert werden können, so haben wir es doch mit zwei Gattungen zu tun: Mit der "Frau", die immer schon tot ist und mit dem lachenden/leidenden Monster. Am Schluß möchte ich für eine Familiarisierung mit der zweitgenannten Untoten plädieren.

      Liebe ist nur ein Ford

      Eine Art Jenseits

     

    Andrea Sick
    Geisterleben, Menschenessen
    Die kannibalische Ordnung und ihre magische Wirkung

    Die rituelle kannibalische Handlung wie sie in Diskursen der Psychoanalyse, Ethnologie, Theologie und moderner Kosmologie sowie auch in Märchen bis heute beschrieben wird, ließe sich mit folgender Formel zusammenfassen: Der Körper eines Menschen wird aufgegessen, um die geistigen Kräfte und Eigenschaften dieses Menschen abzuwehren oder sich anzueignen. Ein Verfahren, das eigene Weiterleben zu sichern oder zu verlängern. Vorraussetzung für die Entdeckung dieser Ordnung, ist die Entdeckung der Seele als des geistigen Prinzips im Menschen, letztendlich eine Beseelung der ganzen Welt, oder wie Freud schreibt "ein animistisches Denksystem", in dem die Geister leben. Die beschriebene orale Topologie ermöglicht ein sich Einverleiben der Geister. Medium ist der Körper, "Fleisch und Blut". Das Weiterleben, das heißt auch die "therapeutische" Wirkung des Kannibalismus, kann aber nur gesichert werden, wenn das Aufgenommene wieder zur Erscheinung  wird, wenn in der Metaphorik der Photographie gesprochen: die Kamera frißt, was sie dann wieder projeziert. Erst der Übergang zu einer anderen Topologie, der der Produktion und Hervorbringung, garantiert das Leben und so einen Geisterverkehr. Der "heilbringende" Kannibalismus wäre ein Übergangsphänomen, welches sich geradezu anbietet, die Strukutr von modernen kosmologischen Auferstehungsphantasien offenzulegen.

      Arbeitsmaterialien aus dem Reader

       Vortragstext

      Tranchiertechniken

     

    Helene von Oldenburg
    Neue Lebensformen im Netz

    Das WorldWideWeb ist weltweit aus dem kulturellen und sozialen Umfeld nicht mehr wegzudenken. Auch wächst es unaufhaltsam und wird immer engmaschiger. Das Netz besteht aus Workstations und Informationen, die zwischen ihnen ausgetauscht werden. Die Server, die User, die Programme, die Informationen, die Datenmengen, die Browser und die Viren führen hier ihr Eigenleben. Dabei übersehen wird in der Regel das heimliche Wesen des Netzes selbst. Dieses ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Evolution. Ist es doch bekannt, daß die Evolution der Lebewesen parallele Entwicklungen bevorzugt.  Zum Beispiel die zeitgleiche Ausbildung langer dünner Blütenkelche bei Pflanzen und darauf spezialisierter Saugwerkzeuge bzw. Schnäbel bei Insekten und Vögeln. Was also bedeutet es für die Evolution, wenn das Web weltweit in alle nur denkbaren kulturellen, sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhänge hineinwächst? Welche Lebewesen werden sich anpassen und in welcher Form? Es wird eine neue Spezies geben müssen. Deren Entwicklung läßt sich heute schon im Netz aufspüren.

      Neue Lebensformen im Netz

      Experimentielle Arachnologie

     

     

    | EINLEITUNG | LIFE | REGISTER |