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Teil 2: Ausstellung

4.-20. Februar 2011

Eröffnung: 
Donnerstag 3. Feb. 2011 um 19 Uhr

Ausstellungsgespräch mit Stefanie Möller:
Samstag 19 Februar um 15 Uhr

Finissage:
Sonntag 20 Februar
16-19 Uhr
Mit Lichtbildvortrag von Anne Metzen (Berlin)
Standard Euro "InfoRaum 1.37" (SystemVerrat.en)


Ort: Vor dem Steintor 136 - 28203 Bremen
Öffnungszeiten: Do 16-19 Uhr und Sa 11-15 Uhr und nach Vereinbarung
 

Mit:

Stefka Ammon
C. Burbaum/C. Kriegerowski
Dorothea Carl/Claudia Reiche
Dagmar Kase
Eugenia Gortchakova
Anne Metzen
Iris Minich/Arvild Baud
Heike Walter
Z. Schmid


 

 

 

Stefka Ammon
Execution of ideas is murder



Das Dilemma kennen nicht nur Künstler:

Nichts, was ein Mensch fühlt und denkt ist in der "gefühlten Reinform" visualisierbar.

Gedanken schrumpfen zu Worten, wenn man sie einmal ausgesprochen hat. Gedanken werden durch Worte ersetzt, die schon im Moment ihrer Aussprache Hülsen sind. Der einmal sichtbare gemachte Gedanke ist im gleichen Moment fort, verweht, überlagert, übertüncht, verschmiert vom verwendeten Wort oder dem produzierten Bild.

Das in der Welt sein ist ein pausenloser Verrat an der eigenen Gefühlswelt. Um zu überleben, um zu leben, um zu lieben müssen wir aber kommunizieren.

Dieser Verrat an der inneren Welt ist also unausweichlich. Er kann zu Unwohlsein führen, bis hin zur Verzweiflung. Einziger Ausweg: man muß sich schamlos mit wackeligen und unzureichenden Hilfsmitteln und Prothesen behelfen. Sprache und Bilder sind ein Verrat am inneren Zauber.



Das englische Warnschild Execution of Ideas is Murder erinnert daran, dass wir uns auf dünnem Eis bewegen. Ausführen und hinrichten hat im englischen die gleiche Worthülse: Execution.

Diese Warnung soll sich mittels (rückstandslos entfernbarer) Aufkleber, Poster und Werbeflächenbespielung in Bremen verbreiten. Denn in einer protestantisch geprägten Stadtlandschaft müsste die Sensibilität im gefährlichen Umgang mit Veräußerlichungen noch zumindest ansatzweise erreichbar sein.

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Claudia Burbaum/ Christine Kriegerowski
Bremen banal



Was?
Wir verraten unsere Ansprüche: die ganzheitlichen Ideale, den Hedonismus, das Kollektiv, die Nachhaltigkeit. bremen banal deckt in den klaren und einfachen Worten der Regenbogenpresse auf. Bremen banal nimmt eine alternative Siegerpose ein, wer sich abweichend verhält, wird von bremen banal an den Pranger gestellt: Schäm dich!

Wie?
Die Plakate von bremen banal verkünden den alltäglichen Verrat in reißerischen Headlines. Doch der Appetit auf die platten Details der angekündigten Sensationen wird nur zweimal vom bremen banal Nachrichtenmagazin gesättigt: Am 27. und 28. Januar 2011 geht bremen banal-live auf Sendung. Die Moderatorinnen Claudia Burbaum und Christine Kriegerowski dialogisieren über Verräterinnen. Kurze Features und angebliche Live-Schaltungen kommen hinzu.

Warum?
Die Presseorgane fungierten immer wieder als Instrument restriktiver Politik. Hämisch wird jedes Kleinbeigeben beobachtet und an den Pranger gestellt.
Bei bremen banal  ist frauenbewegt endlich Mainstream, Ökologie angesagt, Avantgarde ein Muss und wenn es schon so ist, dass jeder Tag einen Verrat an diesen Idealen bringt, bestehen wir darauf, dass jede und jeder davon erfährt!

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Doro Carl/ Claudia Reiche
demo_lition, Video
Ein Verrat, im Aufbau begriffen



Auf Französisch und Englisch heißt rückbauende Zerstörung von Gebäuden ‚demolition’. Der Ursprung des Wortes ist Lateinisch, 'De' meint eine Umkehrung, eine Negation. Das Verb 'moliri' bezeichnet 'aufbauen’ und enthält das Wort 'moles', was 'Masse' bedeutet. Insofern wird eine Entmaterialisierung verschränkt mit einer Umkehrung der Zeit – des Aufbaus. Diese Bedeutungen ähneln dem, was filmische Aufzeichnung neurophysiologisch real vollbringt und das digitale Medium durch Speicherung und Umrechnungen inzwischen simulativ weitergeführt hat.
Abrisse bieten vielen Passanten ein Spektakel, von dem sie sich kaum losreißen können. Eine oft vorgetragene tiefe Befriedigung über die gerade beobachtete präzise Zerstörung mit Anteilen an Grausamkeit, Nihilismus und möglicherweise 'Verrat' verdient besondere Beachtung.
Das Video ‚demo_lition’ will ausgehend von Aufnahmen von Abrisstätigkeiten im neoliberalen, krisengeprägten Hamburg in einer Zeit ‚nach der Utopie’ hier filmisch weiterdenken. Gezeigt wird ein Verrat 'in progress“': im Aufbau begriffen...

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Dagmar Kase
"it is proud and good to be ..."
Video 16'20''



The video is inspired by the fear for the disappearance and destruction / demise of countries and nations, which has intensified recently and obtained a global audience. The backbone of the project is the constant message that flows through the media as a cry for help to the Estonian citizens about the low birth- rate of Estonians and their leaving the country (temporarily or permanently) and about the persistence of Estonia through children being born and mothers giving birth. The question about how and what do little citizens of modern Estonia feel, has been consciously avoided, though.

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Eugenia Gortchakova
Prozess



Das Projekt inszeniert "Verrat" als Gegenstand einer fiktiven Gerichtsverhandlung und gibt dabei 2 Interpretationen des Verrats  im heutigen Russland. Ankläger - eine National-kommunistische Organisation „Limonka“*. Angeklagte - die Menschenrechtsorganisation „Metropol“**.
Die Dokumente geben
1. Kernpunkte der Anklage wieder. (...Die kapitalistische Gegenwart  ist  eine schwere Zeit des Unglaubens, des Verrats und der Verzweiflung, die auf das heilige Russland hereingestürzt ist... Verrat war und ist ein Verbrechen von kosmischer Dimension, eine Todsünde. Kein Mitleid mit Verrätern!)
2. Die Beweise der Anklage – doppelbelichtete Fotografien mit Beschreibung von  Ort und Zeit der Aufnahme.
3. Analyse der Beweise. Beispiel: Beweis „Matrjoschka“*** (...Das Foto... belegt dass der  Rote Platz, zu einem billigen Marktplatz geworden ist. Das ist Verrat an den heiligen Werten Rußlands.)
4.  Die Argumente der Verteidigung. Gutachten des Sachverständigen. (... Die Führer in totalitären Staaten, extremistischen  und Religionsgemeinschaften schüren die Angst, um die Menschen zusammenzuhalten und zu manipulieren... In der Demokratie wird der Begriff Verrat aufgeweicht.  Heute sind "Verräter" nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer betrachtet...)

*„Limonka“ auf Deutsch - Handgranate,  in Assoziation auf die gleichnamige Zeitschrift.
**„Metropol“  - genannt nach den gleichnamigen Samizdat Literaturalmanachs (1979),  dessen Publikation in Ausland vielen Autoren die  Karriere in der Sowjetunion gekostet hat. Diese werden des Landesverrates angeklagt.
 ***Matrjoschka - sind aus Holz gefertigte und bunt bemalte, ineinander schachtelbare, eiförmige russische Puppen mit Talisman-Charakter.

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Iris Minich/ Arvild Baud
Das Gefangenendilemma
Videoinstallation, s/w


Tit for tat, mistrust, spite, punisher, pavlov, prober, master and servant,always defect, always cooperate, go by majority sind häufig gebrauchte Strategien, die man für das  in dt/engl Sprache vorgestellte Spiel wählen kann.
Die Bezeichnungen geben eine Ahnung wie omnipräsent es auf allen zwischenmenschlichen Ebenen in sämtlichen ökonomischen und politischen Systemen bewusst und/oder unbewusst gespielt wird. Es basiert auf dem von amerikanischen Wissenschaftlern in den 50ern des 20ten Jahrhunderts  entwickelten  „Gefangenendilemma“, das seitdem einen zentralen Bestandteil der  Spieltheorie bildet.
Die Abwesenheit von moralischer Bewertung und Emotionen in der Inhaltlichkeit, sowie die Form lassen Raum sich dem Themenduo Verrat/ Kooperation möglichst variabel zu nähern, ermöglicht einen kleinen Blick in das „was die Welt im Innersten zusammenhält“, was zugleich die Intention der selbstdarstellenden Künstler ist.

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Heike Walter
MIND SCAN



Waren Sie am 07. April 1999 hoch motiviert, unausgeschlafen, verkatert, diszipliniert, geizig oder erschöpft?

MIND SCAN heißt das Projekt, indem ich mich seit über 11 Jahren (ca. 4000 Tage) als meine eigene Laborratte befinde. Ich bin eine Art gläserne Laborratte. Es existieren über diesen Zeitraum tägliche Aufzeichnungen, anhand derer Sie meine Tagesaktivitäten und darüber hinaus mein affektives Gefühlsleben einsehen können. Das Grundgerüst für diese tägliche Untersuchung bilden 40 Kategorien, die mit Zahlenwerten von 0 bis 12 bewertet werden, nach Uhrzeit, Stunden oder Intensität. Festgehalten in Tagebüchern, Tabellen und Skalen.

Aufstehen Einschlafen Arbeit Hausarbeit Einkaufen Lesen Fernsehen Ausgehen Schlafen Erlebnisbereitschaft Kooperation Durchsetzungsvermögen Diplomatie Disziplin Hemmungen Angst Frustration Erschöpfung Gefühlsverwaltung Unruhe Körper- und Kopfgefühl morgens und abends Empfindlichkeit Interesse Balance Geduld Näheverträglichkeit Amusement Zweifel Aufnahmefähigkeit Kommunikation Hochmut Geiz Wollust Neid Völlerei Zorn Trägheit

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Z.Schmidt
Im Urteil liegt der Verrat !?
Sound-collage, ein literarisches Konzert inmitten des Verrats

Eine Zusammenstellung verschiedener gefundener Textfragmente rund um den 
Verrat wird kombiniert zu einer Sound-collage. Die verschiedenen 
Textfragmente behandeln Positionen, Blickwinkel und Bezugssysteme um den 
jeweilig began- genen, oder zu begehenden Verrat. Es kommt vor, dass er an 
“Anderen“ begangen werden muss - der Verrat- um ihn nicht an der eigenen 
Person zu begehen. Oder, dass eine Entscheidung gefällt werden muss dafür, 
ihn an sich selbst, oder den eigenen Idealen zu begehen. 
Es werden sich folglich Bezüge und Wechselspiele zwischen den einzelnen 
Passagen und der eigenen Position ergeben. 
Textfragmente zwischen, um und inmitten des Verrats. Ein Schauplatz der 
Ambivalenzen, wo die Frage nach dem “gut“, oder “böse“ des Verrats 
womöglich zum Scheitern verurteilt, oder gar im Verrat münden werden wird...

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Anne Metzen
Standard Euro "InfoRaum 1.37" (SystemVerrat.en)

Lichtbildvortrag

Standard Euro
ist ein Bestreben, Phänomene des Alltags und des täglichen Weltgeschehens in Form von gefundenen und angefertigten Bildern, Texten, etc.  zu erfassen und zu archivieren, stets unter dem Gesichtspunkt der Standardisierung, Normierung oder Formalisierung.
Das Archiv ist eine raumgreifende Installation, seine Bestandteile – die Ablage-Orte - setzen sich aus Kisten, Kästen, Schachteln, Mappen, Listen, etc. zusammen. Information wird geschichtet – mit ihnen und in ihnen.
Das zusammengetragene Material und seine Ablage-Orte sind eingeschrieben in ein Ordnungssystem, das sich je nach Ausstellungs-Raum und Thema des öffentlichen Auftrittes entsprechend formiert und präsentiert.
Information wird nur gezielt freigegeben.
Der Betrachter ist aufgefordert, sich mit der Räumlichkeit des Archivs auseinanderzusetzen und Prinzip, Struktur, Norm und Inhalt in den einzelnen Bereichen zu finden.

Im InfoRaum_1.37
wird die räumliche Erfahrbarkeit übersetzt in ein anderes Medium: in (eine Abfolge von) Lichtbildern, sichtbar gemacht durch Overhead-Projektoren.
Auf diese Weise soll das Funktionieren des dem Standard Euro Archiv zugrunde liegenden Systems „erklärt“ werden.
Die Fragen sind: was bleibt im Verborgenen, was bleibt in der geschlossenen Kiste und Schachtel zurück, wo sind die Schlüssel zu finden, der Code zu knacken, was wird geöffnet, gezeigt, was taucht immer wieder auf, was ordnet sich wo ein, was bleibt Behauptung, wie sind die Zusammenhänge, die Ausschlüsse, wo die Norm – und was wird überhaupt verraten?

Der Umgang mit Information dient nicht nur der Informierung.

Es wird sich zeigen wie sehr das Geheimnis des Systems als konstitutive Kraft wirkt, ob es all dem Verratenwerden seiner Bestandteile standhält oder Opfer eines Verrats wird.
 


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