Call: The Art of Emergency

Ausschreibung für Art Residencies 

 

The Art of Emergency

Wir befinden uns in einer Zeit der globalen Notfälle. Krieg, Pandemie und Klimakatastrophe haben universelle Folgen, wenn nicht direkt tödliche, so doch in Form körperlicher, psychischer, sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Schädigungen. Insbesondere diese aktuell größten Bedrohungen rufen Notfallpläne hervor und fordern sofortige und nachhaltige Änderungen unseres Verhaltens ein.

Emergency, eine Notfallsituation, passiert anscheinend plötzlich, stürzt ein System ins Chaos, verändert altbekannte Muster, verschärft bestehende Ungleichgewichte – zu immer wieder unbekanntem Zeitpunkt. Ein Handeln ist dann sofort gefragt, eine aktive Antwort. Schnell, improvisiert und mit unbekannten Größen operierend. Eine Umstellung von bisherigen Plänen und Maßgaben steht im Zentrum. Denn es geht um eins: Überleben.

Wenn Emergency systemgefährdend eintritt, ist eine Schwelle überschritten, ein Kipppunkt erreicht, an dem gehandelt werden muss, meist, um einen Zustand – ähnlich zu dem vor Eintritt des Notfalls – wiederherzustellen. Wie kann ein solches Handeln aber aussehen und welche Experimente im Kleinen und Großen können ein solches Umdenken und Neubewerten testen und einleiten? Das wäre eine Kunst, mit und im Notfall konkret und weitblickend zu agieren. Dies wäre „The Art of Emergency“.

Genauso lässt sich auch sagen, Emergency ist eine schon erwartete Krise oder erwarteter Zusammenbruch eines Systems, wenn alle vorsorgenden, möglichst verzögernden Maßnahmen nicht hinreichend gewesen sind. Emergency ist somit auch erwartet, Emergency wird geplant. Permanent. Allerdings bleibt stets ungewiss, ob Vorbereitungen greifen, ein System wieder zu stabilisieren, es womöglich sogar zu stärken. 

Spezialisten der Emergency, das ganze rettende und steuernde Krisenmanagement, haben diese Lücke zwischen prognostizierten Notfällen und deren tatsächlichen Eintreten, zwischen geplanten und tatsächlichen Erfolg ihrer Maßnahmen zum Zentrum ihrer Tätigkeiten gemacht. „The Art of Emergency“ jongliert jeweils mit Wahrscheinlichkeiten und Machbarkeiten. Träumt, simuliert, testet, trainiert.

Immer wieder erst im Nachhinein lassen sich Zeichen mit Gewissheit deuten, die den Notfall ebenso wie seinen Zeitpunkt angekündigt hätten, die womöglich im Voraus hätten wissen lassen können, was wann passieren würde. Immer wieder auch gibt es diejenigen, die jeweils genau davor gewarnt hätten, – auch dies gehört zu „The Art of Emergency“, wenn Nicht-Wissen unerträglich scheint. 

Was allerdings, wenn Emergency in einer Vielzahl eintreffender und wiederkehrender Katastrophen zum sogenannten Normalzustand geworden ist? Was, wenn eine Furcht vor weiteren Aufschaukelungen generell jedes Handeln dem Zweck der Katastrophenbewältigung unterstellt und folglich permanente Warnung, permanenter Streit um die richtigen Voraussagen und Abhilfen Desensibilisierung bewirken? Eine Lähmung ist zu erwarten, unter dem Sperrfeuer von Gefahren und Warnungen, Vorschriften und Strafen in überdehntem Schockzustand, bis hin zum achselzuckenden, scheinbar abgestumpften Parieren unfassbarer Bedrohungen. So wird dann ein Kipppunkt erreicht und jedes Messen, Prognostizieren, Simulieren kommender unausweichlicher Notfälle würde von einem massenweisen: ‚Wir wollen es nicht mehr wissen‘ beantwortet. Auch dies eine „Art of Emergency“.

Mit Umdenken, wie es in Momenten der Bedrohung blitzhaft entsteht und zu neuem Handeln führt, ebenso dem Analysieren von jeder Art von guten oder schlechten Bewältigungsversuchen von Emergency soll im Arbeits- und Ausstellungsprojekt „The Art of Emergency“ experimentiert werden. Dass solche „Art of Emergency“ auch eine „Emergency of Art“ beinhaltet, nämlich eine dringende Aufgabe an die Kunst darstellt, ist unsere Überzeugung.

Wir laden ein zu einmonatigen Art-Residencies (Künstlerinnen, Aktivistinnen, Wissenschaftlerinnen), in denen dieses Notfallhandeln ausprobiert, vorgestellt, trainiert oder eingeübt wird.

Ein besonderes Extra, ein kalkuliert unvorhersehbares Element, kommt dabei hinzu: Jedes eingeladene Projekt soll für das nachfolgende Projekt etwas im thealit Arbeitsraum hinterlassen, dem Ort der Residencies, wo auch Präsentationen, Zusammenkünfte stattfinden können. Auf diese Hinterlassenschaft soll dann das folgende Projekt reagieren: es einbeziehen, verändern, es zum Ausgangspunkt nehmen, es links liegen lassen, es verkleiden, es verstecken oder anderes …

Ab der 2. Residency werden diese jeweils weiterverwendeten Objekte von thealit abgeholt und archiviert, so dass für das Folgeprojekt wieder etwas anderes hinterlassen werden kann. Das Archiv dieser materiellen oder immateriellen Objekte wird am Ende des Programms online dokumentiert, ebenso wie die eingeladenen Projekte selbst natürlich auch.

Wir freuen uns auf Einsendungen mit Projektvorschlägen. Diese können roh, spontan und unfertig sein. Bitte sendet sie zusammen mit einem knappen Portfolio und CV ans thealit Frauen.Kultur.Labor. bis zum 1. Oktober. Einreichungen von Duos oder Gruppen freuen uns auch.

Wir unterstützen gegebenenfalls mit Fahrkosten. Bei der Suche nach einer Unterkunft sind wir behilflich, können aber leider keine zur Verfügung stellen. Es gibt ein Budget für Materialkosten von 200 Euro und eine Aufwandsentschädigung von 250 Euro. Technisches Equipment stellen wir zur Verfügung. Wir Kuratorinnen stehen auf Wunsch gern für Projektgespräche bereit.

5 Art Residencies sind in dieser Periode 2022/2023 möglich: 

Eine organisatorische Bitte: Bei den Einreichungen die Daten angeben, an denen eine Residency nicht wahrgenommen werden könnte.

Vorschläge für kurze Vorträge, Workshops oder kleinere Performances können auch - unabhängig von den Residencies - eingereicht werden.

Bitte an Lola Castro senden: castro(at)thealit.de

Wir sind gespannt auf eure Einreichungen!

Claudia Reiche, Andrea Sick